Jeder kennt sogenannte "Psychotests" aus Zeitschriften oder Internet: "Sind Sie ein guter Liebhaber?" - "Welcher Typ Vorgesetzter ist Ihr Chef?" So lauten oft die reißerischen Überschriften. Dies hat mit wissenschaftlicher Test-Diagnostik wenig zu tun - fasziniert uns aber trotzdem. Erfahrungen mit solchen "Tests" oder eine überzogene "Testkritik" lassen bei Menschen gesunde Skepsis aber auch unnötige Ängste aufkommen. Dagegen hilft nur ausreichende Information. Auch Schulpsychologen setzen in ihrer Diagnostik psychologische Tests ein, um beispielsweise bestimmte Teilleistungen oder Begabungen abzuklären. Solche Tests haben aber im Gegensatz zu den Tests der Illustrierten einen "wissenschaftlichen Test-TÜV" durchlaufen. Psychologische Tests sind wissenschaftliche Messverfahren, die bestimmte Merkmale einer Person erfassen und den Grad ihrer individuellen Ausprägung angeben. Dazu werden verschiedene psychometrische Messskalen verwendet. Die bekannteste Skala dürfte die IQ-Skala (Mittelwert=100) sein.
Man unterscheidet in der psychologischen Diagnostik üblicherweise folgende Bereiche:
Leistungstests erfassen bestimmte Leistungsmerkmale wie z.B. Intelligenz, Kreativität, Rechtschreibleistung, Rechenfertigkeit, Feinmotorik, Konzentration u.ä.
Persönlichkeitstests erfassen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie z.B. Interessen, Einstellungen, Motivation, Ängstlichkeit, Aggressionsbereitschaft u.ä.
Man geht davon aus, dass die Ausprägungen der gemessenen psychischen Merkmale in der Bevölkerung "normalverteilt" sind. Dies deckt sich mit unserer Alltagserfahrung: Was die Körpergröße betrifft, so treffen wir auf wenig "Zwerge" und "Riesen". Die meisten Menschen haben eine Körpergröße, die eine "mittlere Ausprägung" besitzt. Erfasst man beispielsweise alle 30-jährigen Einwohnerinnen des Kreises Borken hinsichtlich ihrer Körpergröße, so erhält man eine Verteilung, die sich der "Gaußschen Normalverteilung" stark annähert. Eine solche Verteilung darf man auch bei psychischen Merkmalen erwarten. Die meisten Menschen besitzen eine "mittlere Intelligenz". Sogenannte "Geistig Behinderte" und "Hochbegabte" finden sich entsprechend selten. Die zweite Annahme der Testtheorie ist, dass sich die gemessenen Werte in einem psychologischen Test zusammensetzen aus dem "wahren" Wert und einem Messfehler. Der "wahre" Testwert entspricht der Merkmalsausprägung der getesteten Person. Der Messfehler wird als mögliche Inkonsistenz in der Messung betrachtet. Der gemessene Testwert muss also um den Messfehler korrigiert werden, der für jedes Testverfahren bekannt ist. Man versucht, den Messfehler durch bestimmte Testgütekriterien möglichst klein zu halten. Diese sind:
Objektivität: Kommt der Test bei verschiedenen Testleitern zu ähnlichen Ergebnissen?
Zuverlässigkeit: Kommt man bei Test-Wiederholungen zu ähnlichen Ergebnissen?
Gültigkeit: Misst der Test das, was er zu messen behauptet?
Um den Messfehler zu minimieren und die Testgütekriterien zu erfüllen, werden wissenschaftlich konstruierte psychologische Tests "standardisiert". Dies bedeutet, dass der Testleiter das Verfahren immer gleich durchführt. Dazu gibt es ganz genaue Durchführungsanweisungen, an die sich der Psychologe halten muss. Anders formuliert: Jedes Kind, das in einer Schulberatungsstelle einen bestimmten Intelligenztest macht (ob in Bayern, NRW oder Sachsen), bekommt die gleichen Aufgaben in der gleichen Zeit zu gleichen Bedingungen vorgelegt. Die Antworten werden für jedes Kind nach den gleichen Regeln ausgewertet.
Ein psychologischer Test kann niemals ein bestimmtes Merkmal einer Person absolut messen, sondern immer nur im Vergleich zu anderen Menschen! Das heißt, "die" Intelligenz kann man gar nicht messen, sondern nur ein bestimmtes Antwortverhalten in einem bestimmten Testverfahren. Um beispielsweise eine Aussage über die "Höhe" der Intelligenz eines Schülers machen zu können, braucht der Untersucher Vergleichsdaten von anderen (gleichaltrigen) Schülern, die genau diesen Test zuvor gemacht haben. Ein guter Test zeichnet sich deshalb u.a. durch gute Vergleichs-Normen aus, d.h. er wurde an einer sorgfältig ausgewählten, aktuellen u. ausreichend großen "Eichstichprobe" normiert. Hier liegt die Schwachstelle vieler psychologischer Tests: Auf Grund der hohen Kosten bei der Testentwicklung sind in vielen Verfahren die Normen veraltet, oder die Eichstichprobe ist zu klein.
Die Kritik an psychologischen Tests ist vielfältig. Sie reicht von grundsätzlicher Infragestellung der theoretischen Grundannahmen bis hin zur Kritik an bestimmten Durchführungsbedingungen. Neben seriöser wissenschaftlicher Kritik gibt es oft aber auch unüberlegte Polemik gegen das Testen. Ernstzunehmende Kritik bezieht sich auf Testkonstruktion, Gütekriterien, Normierung usw. Warum werden dann psychologische Tests trotzdem durchgeführt? Die saloppe Antwort lautet: Weil es bei aller (berechtigten) Testkritik oft keine bessere andere Diagnostik gibt! Neben der Tatsache, dass ein Test oft sehr ökonomisch ist (er gibt rasch und umfassend Einblick in Verhalten), stellt er oft die einzige Möglichkeit dar, bestimmte Merkmale "objektiv" zu erfassen. Setzen wir z.B. nur auf Beschreibungen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten sogenannter "Beurteilungsfehler". Tests sind zudem nur ein Baustein der Diagnostik. Beobachtungen, Gespräche, Arbeitsproben u.ä. sind weitere Möglichkeiten. Der gewissenhafte Testanwender weiß um die Grenzen dieses Instruments und wird dies bei Durchführung, Auswertung und Interpretation berücksichtigen.
Schulpsychologen führen Tests grundsätzlich nur dann durch, wenn es diagnostisch notwendig ist! Ein Kind "mal unverbindlich durchtesten lassen" (solche Anliegen gibt es!) - dieser Wunsch wird in der Beratungsstelle nicht erfüllt. Alle Maßnahmen werden mit den Eltern vorher ausführlich abgestimmt und erläutert. Bei Grundschülern erfolgt ein Test i.d.R. vormittags in der Schule oder in der Beratungsstelle. Ältere Schüler können auch am Nachmittag getestet werden. Tests erfolgen entweder in kleinen Gruppen - meistens aber als Einzeltest. So kann der Schulpsychologe das (Arbeits-)Verhalten genau beobachten. Die Eltern sind bei der Testdurchführung nicht anwesend, da dies das Verhalten des/der Schüler/in beeinflussen würde. Die meisten Kinder haben Freude beim Test. Sie genießen die Aufmerksamkeit und möchten zeigen, was sie können. Alle Schulpsychologen haben jahrelange diagnostische Erfahrung, so dass sie sensibel mit eventuell auftretenden Schwierigkeiten (z.B. Misserfolge) umgehen können.
Dies ist zunächst altersabhängig. Sagen Sie dem Kind das, was es begreifen kann. Die meisten Kinder, die in der Schulberatungsstelle vorgestellt werden, wissen um ihr (Lern-)Problem. Ein "Rechtschreibtest" zur Abklärung von LRS wird kein Kind verwundern. Sensibler muss man mit "Intelligenztests" umgehen. Zwar wissen auch jüngere Kinder schnell, dass ihre Leistungsfähigkeit getestet wird, man kann dies aber altersangemessen umschreiben, statt die Begabungsfrage in den Mittelpunkt zu stellen ("Ich möchte schauen, was du gut und weniger gut kannst").
Ergebnisse psychologischer Untersuchungen werden i.d.R. mit den Eltern und (nach Vereinbarung) der Schule besprochen. Während ältere Schüler in solche Gespräche einbezogen werden, erfolgt dies bei Grundschülern prinzipiell nicht. Zwar muss der/die Schüler/in eine Rückmeldung über die Ergebnisse bekommen, diese sollte aber gut überlegt sein und von den Erwachsenen vorbereitet sein. Jede psychologische Untersuchung hat "Risiken und Nebenwirkungen": Das unbedachte Nennen von IQ-Werten stellt beispielsweise nicht nur einen diagnostischen Kunstfehler dar, es kann auch weitreichende Folgen für die Betroffenen haben. Auch hier schlagen wir kindgemäße Rückmeldungen vor, die helfen, die gewünschten Änderungen vorzubereiten: "Das Ergebnis deines Wissenstests war sehr gut - der Rechtschreibtest war dagegen ausreichend."