Marc, ein 9-jähriger Junge, geht sehr ungern zur Schule. Im Rechnen klappt es einigermaßen – für das Fach Sprache fehlt ihm jegliche Motivation. Beim Abschreiben von der Tafel macht er viele „Flüchtigkeitsfehler“. Die Hausaufgaben am Nachmittag ziehen sich oft stundenlang hin: Marc arbeitet sehr langsam und unkonzentriert. Das Lesen gelingt nur stockend, oft „fantasiert“ Marc Dinge in den Text, die da nicht stehen. Marcs Mutter übt viel mit ihm, besonders vor Diktaten, aber dazu ist er immer weniger zu bewegen. Auch die Mutter resigniert, weil er scheinbar sicher Gelerntes immer wieder falsch schreibt. Die Lehrerin ist unsicher in der Einschätzung des Jungen: Marc sei im Unterricht „vorlaut“ und kaspere häufig herum. Aus diesem Grund schlägt die Lehrerin auch den Besuch beim Schulpsychologen vor.
Ein beträchtlicher Teil der Anmeldungen einer Schulpsychologischen Beratungsstelle resultiert aus Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (LRS). Von allen Lern-/Leistungsstörungen haben LRS schon deshalb die größte Bedeutung, weil Lernprobleme in diesem Bereich die Lernchancen von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beeinträchtigen können. Bei ausbleibenden Lernerfolgen entwickelt sich häufig eine Sekundärsymptomatik (z.B. mangelndes Selbstwertgefühl, Ängste, Aggressionen, generelles Lernversagen). Leider gibt es keine schnellen rezeptartigen Lösungen für das Problem, denn LRS entstehen aus einem komplexen Wirkungsgefüge, bei dem sich leider nicht klare Ursachen unterscheiden lassen. Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der LRS. Die ältere „Legasthenie“-Definition lautete: „Versagen beim Lesen und Schreiben bei mindestens durchschnittlicher Intelligenz.“
Nach langjähriger intensiver Forschung gibt es bisher nur relativ wenig sichere Fakten zum Phänomen LRS. Aus diesem Grund sprechen heute viele Autoren von „Lese-Rechtschreibschwierigkeiten“. Der Begriff „Legasthenie“ (Griechisch: leg = lesen, asthenia = Schwäche) gilt als veraltet und zu ungenau. Daher wird er heute im Bildungsbereich in der Regel nicht mehr verwendet.
Der LRS-Erlass NRW von 1991 ist eine hervorragende Voraussetzung zur innerschulischen Förderung. Der Erlass hat eine förderorientierte Ausrichtung, d.h. alle Kinder u. Jugendlichen sollen bis Klasse 10 bei mangelhaften Lese- u. Rechtschreibleistungen gefördert werden und zwar unabhängig von „Ursachen“ und „Diagnosen“.
Konsequenterweise trifft die Schule selbst die Entscheidung, wer im Rahmen des LRS-Förderunterrichts gefördert wird. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, es müsse eine „Diagnose“ von außerschulischen Experten vorliegen, um ein Kind bei LRS zu fördern.
Hinsichtlich der Leistungsbeurteilung bei LRS gibt es nach wie vor viele Unsicherheiten. Der LRS-Erlass sieht keine Notenbefreiung auf dem Zeugnis vor. Hier soll sinnvollerweise eine klare Leistungsbeurteilung erfolgen. Im pädagogischen Umgang mit Schülerinnen und Schülern gibt der Erlass aber viel Handlungsfreiheit.
Fragen zur schulischen Förderung bei LRS beantwortet auch das Schulamt für den Kreis Borken.
Beantwortung häufiger Fragen zum LRS-Erlass, Diagnose und Förderung