Angst ist sinnvoll! Was bewirkt Angst? Welche Ängste gibt es? Was sind Ursachen von Ängsten? Welche Ängste haben Kinder und Jugendliche in der Schule? Was Eltern tun können? Was Lehrerinnen und Lehrer tun können Wann ist professionelle Hilfe erforderlich? Wer hilft und berät bei Ängsten von Kindern und Jugendlichen?
Angst ist sinnvoll! Sie schützt uns vor unüberlegtem Handeln und mahnt zur Vorsicht in Situationen, die uns schaden könnten. Völlige Angstfreiheit zu erreichen ist nicht nur nicht möglich – es wäre auch gar nicht erstrebenswert. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass eine „mittlere Aufgeregtheit“ vor Prüfungen optimal ist: Völlige Gleichgültigkeit oder hohe Erregung führen zu schlechteren Ergebnissen. Unangenehm ist es, wenn Ängste so stark werden, dass sie unser Handeln beeinträchtigen: dann wird aus der zunächst sinnvollen Angstreaktion eine „lähmende Angst“. Hier liegt dann die Gefahr, dass sich „Teufelskreise“ bilden: Weil ich Angst vor einer bestimmten Situation habe, vermeide ich diese Situation – weil ich diese Situation meide, überwinde ich die Angst nicht. Worauf es also ankommt ist, sich mit eigenen Ängsten zu beschäftigen und zu lernen, sie zu überwinden.
Körperlich: Mit Gefühlen gehen körperliche Reaktionen einher, die man kennen sollte. Atem-, und Herzfrequenz und Blutdruck steigen an, Hormone werden ausgeschüttet, d.h. unser Körper bereitet sich auf „Kampf oder Flucht“ vor, indem er die notwendige Energie bereitstellt. Diese körperlichen Veränderungen werden unterschiedlich stark empfunden: Harndrang, Durchfall, Übelkeit, „weiche Knie“, Herzklopfen, Muskelanspannung, Muskelzittern, Schweißausbrüche, Schwindel – die Liste dieser Empfindungen ist lang.
Gefühle: Man ist angespannt und ängstlich.
Denken: Angst blockiert unser Denken. Die gedankliche Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit ist herabgesetzt. Die Gedanken kreisen um die „Gefahren“.
Verhalten: Häufig Rückzug und Vermeidung, aber auch „Flucht nach vorn“- hinter aggressivem Verhalten stecken häufig Ängste.
Sinnvoll ist zunächst einmal die Unterscheidung, ob es einen objektiven, realen Anlass für Ängste gibt, oder ob die Ängste eher durch innere Prozesse (Gedanken, Bewertungen) entstehen. Im ersten Fall spricht man von „Furcht“ vor bestimmten Situationen oder angstbesetzten Objekten, die durchaus real und sinnvoll sein kann, wie beispielsweise die Furcht bei einem Gewitter. Die Alltagserfahrung zeigt uns aber, dass sich Furcht zu „irrationaler“ bzw. „neurotischer“ Angst entwickeln kann: Die Angst vor „dunklen Wolken“ ist für den Betroffenen zwar real, für Beobachter möglicherweise aber nicht nachvollziehbar. In solchen Fällen wird die Angst durch angsterzeugende Gedanken gespeist: „ Aus dunklen Wolken schlagen manchmal Blitze!“
Die Phobie ist eine sehr starke (panische) Angstreaktion in Bezug auf bestimmte Situationen (z.B. Schule, soziale Situationen) oder Gegenstände (z.B. Tiere, Gegestände).
Wie eingangs gesagt, sind Angstreaktionen vererbte Verhaltensprogramme, die uns helfen zu überleben.
Menschen sind zudem verschieden und unterscheiden sie sich grundsätzlich darin, wie leicht oder schwer sie „aus der Ruhe“ zu bringen sind. Der eine hat das berühmte „dicke Fell“, der andere ist das „nervöse Hemd“. Beides sind umgangssprachliche Umschreibungen dafür, wie leicht jemand erregbar und irritierbar ist.
Nach der psychologischen Lerntheorie sind Ängste durch „klassische“ und „operante“ Konditionierung „erlernte“ Reaktionen. Viele Menschen verspüren beispielsweise beim Geruch eines Krankenhauses schon eine körperlich spürbare Angst. Dahinter steht eine gelernte Reaktion: Eine unangenehme und schmerzhafte Erfahrung wurde im Zusammenhang mit „weißer Kittel“ und „Chloroformgeruch“ erlebt. Später reicht allein der Geruch oder der Anblick des Gebäudes aus, um die Angstreaktion auszulösen (Klassische Konditionierung). Vermeidet die Person daraufhin Arztpraxen und Krankenhäuser aufzusuchen, bleibt dieses Muster dauerhaft stabil (Operante Konditionierung: Wegfall von Schmerz).
„Lernen am Modell“ bedeutet, dass Heranwachsende Verhaltensweisen der Erwachsenen übernehmen. Dies gilt (leider) auch für unangemessene Verhaltensweisen: „Ängstliche Kinder haben ängstliche Eltern!“ – diese Alltagserfahrung ist wohl zutreffend.
Die Kognitive Lerntheorie geht davon aus, dass Ängste im Wesentlichen durch Gedanken, Einstellungen, Interpretationen und Bewertungen enstehen und aufrechterhalten werden: „Wir fühlen, was wir denken!“ Diese Erkenntnis hatten bereits die griechischen Philosophen: „Es sind nicht die Dinge, welche die Menschen beunruhigen, sondern ihre Sicht von den Dingen“ (Epiktet, stoischer Philosoph ca. 50 - 120 n.Chr.). Menschen entwickeln offensichtlich „vernünftige“ Ansichten über die Welt und sogenannte „irrationale“ Überzeugungen, die emotionale Probleme zur Folge haben. In Bezug auf Ängste sind dies:
Im Zusammenhang mit Schulbesuch und schulischem Lernen gibt es verschiedene Aspekte, die mit Ängsten verbunden sein können.
Im Umgang mit anderen Mitschülern:
Im Umgang mit Lehrpersonen:
Im Leistungsbereich:
Eine besondere Situation ist die „Schulphobie“. Es handelt sich dabei um eine schwere, panikartige Angstreaktion und die betroffenen Schülerinnen und Schüler verweigern hartnäckig den Schulbesuch. Meist beginnt die Problematik schleichend mit morgendlichem „Trödeln“, diffusen Beschwerden (Kopf-, Bauchschmerzen) und der Bitte, zuhause bleiben zu dürfen. Nach einem Wochende oder einer Ferienzeit (Montags!) wird der Schulbesuch ganz eingestellt. Zwar geben die betroffenen Kinder und Jugendlichen Begründungen an, die scheinbar in der Schule liegen, die Schule ist aber oft der Anlass und nicht Ursache des Problems. Oft handelt es sich eher um die Angst, sich von Zuhause (der Mutter) zu trennen. Eltern und Schule sollten bei einer solchen Problematik schnell entsprechende Fachleute (Schulpsychologen, Kinder- und Jugendpsychiater) einschalten! Mit jedem Tag, den die Schülerin/der Schüler zuhause verbringt, verschlechtert sich die Chance auf eine gute Lösung des Problems.
Die eigenen Gefühle zu kennen und in gewissem Rahmen zu kontrollieren ist Teil der sogenannten „Emotionalen Intelligenz“. Sich nicht von Ereignissen überwältigen zu lassen, aktiv für das eigene Wohlbefinden zu sorgen und eine hilfreiche „Lebensphilosophie“ zu entwickeln gehört zum lebenslangen Lernen. Erwachsene, die in dieser Hinsicht selbst stark sind, haben seltener ängstliche Kinder.
Eltern unterstützen ihre Kinder bei der Bewältigung von Ängsten, wenn sie bei sich selbst beginnen. Bitte überdenken Sie:
Je nachdem, wie Ihre persönliche Bilanz aussieht, kann es sinnvoll sein, dass Eltern ihre eigenen Fähigkeiten zur Problembewältigung verbessern.
Ängste kann man grundsätzlich auf zwei Wegen bewältigen:
man beseitigt die „Ursache“ = „praktische Lösung“,
oder man lernt mit dem Problem zu leben = „psychologische Lösung“.
Die „praktische Lösung“ bedeutet, dass man den realen Anteil der angstauslösenden Situation erforscht und nach Möglichkeit beseitigt. Dies ist richtig und sinnvoll, wenn z.B.
Durch Gespräche mit der Schule, Einleiten von Fördermaßnahmen und richtige Schulformwahl kann die Situation so verändert werden, dass ein/e Schüler/in weniger ängstlich sein kann. Die Strategie der „praktischen Lösung“ hilft aber nur begrenzt. So ist diese Lösungsstrategie wenig sinnvoll, wenn beispielsweise
Die „psychologische Lösung“, d.h. das Lernen der Angstbewältigung, sollte durch Eltern also ebenso unterstützt werden.
Hilfreiche Verhaltensweisen im Umgang mit dem ängstlichen Kind sind:
Zuhören: Nehmen Sie Signale Ihres Kindes wahr und lassen Sie sich seine Ängste schildern. Sie müssen noch keine Lösung parat haben.
In den Arm nehmen: Bei jüngeren Kindern oft besser als (viel) zu reden, wirkt beruhigend.
Kontrollieren Sie Ihre eigenen Gefühle: Zeigen Sie Verständnis, aber „katastrophisieren“ Sie nicht.
Ermutigen: Sprechen Sie davon, dass Sie ähnliches schon erlebt und bewältigt haben.
Zutrauen: Trauen Sie Ihrem Kind was zu. Machen Sie es nicht „kleiner“ als es ist. Sprechen Sie davon, dass es manchmal Probleme gibt und dass man sie lösen kann.
„Realitätscheck“: Kinder sind von ihren Sichtweisen überzeugt. „Der wollte mich ärgern!“ Helfen Sie Ihrem Kind behutsam andere Sichtweisen zu entdecken: „Welche Erklärung gibt es noch?“
Lösungen entwickeln: Helfen Sie Ihrem Kind bei der Entwicklung von Lösungsideen. „Was kannst Du tun?“, „Was kannst du anders tun?“
Hilfen geben: Finden Sie heraus, was Ihr Kind braucht, um seine Angst zu bewältigen. Wer nicht schwimmen kann, braucht z.B. einen Schwimmkurs.
Geschichten erzählen oder Vorlesen, in denen die Hauptperson Ängste erlebt und überwindet.
Entspannungstechniken vermitteln: Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es angstbesetzte Situationen mit Hilfe von Entspannungsübungen besser bewältigt.
Geduld zeigen: Geben Sie Ihrem Kind und sich selbst Zeit. Setzen Sie das Kind nicht zusätzlich unter „Veränderungsdruck“.
Nicht hilfreich sind folgende Verhaltensweisen:
Auslachen: Beschämen Sie Ihr Kind nicht zusätzlich zum Angstproblem. Es wird sich Ihnen in Zukunft nicht mehr anvertrauen!
Beschwichtigen: Hilft dem Kind/Jugendlichen nicht. Gefühle kann man nicht wegreden!
Dramatisieren: Geben Sie dem Kind nicht den Eindruck, dass es „Furchtbares“ erlebt hat. Aufgeregte Eltern vermitteln dem Kind keine Sicherheit.
Beschuldigen: Machen Sie nicht zu schnell (und einseitig) „Schuldige“ aus – schon gar nicht das betroffene Kind. Dies erschwert Problemlösungen.
Das „Schulklima“ sollte angstfreies Lernen und Miteinander fördern. Die Vermittlung „Emotionaler Intelligenz“ sollte in der Schule des 21. Jahrhunderts ausdrücklich Teil des Curriculums sein. Auch Lehrerinnen u. Lehrer können die im vorherigen Abschnitt dargestellten hilfreichen Verhaltensweisen umsetzen. Darüberhinaus können sie:
Viele Ängste von Kindern und Jugendlichen werden von ihnen bewältigt und mit Unterstützung von Eltern und Lehrkräften überwunden. Gerade bei jüngeren Kindern ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis sich Ängste wieder legen. Professionelle Hilfe von (Schul-)Psychologen und Fachärzten sollte eingeleitet werden:
Schulpsychologen sind auf die Beratung von Eltern und Lehrern bei Schulproblemen spezialisiert. Sie helfen bei (Schul-)Ängsten durch Ursachenklärung und Beratung.
Aus den Ausführungen wird aber deutlich, dass manche Ängste von Kindern und Jugendlichen ihre „Ursachen“ nicht unbedingt in der Schule haben. Daher können gerade bei Ängsten oft auch andere Institutionen helfen: